Reifeentwicklung ist DIE unterschätzte Größe wenn es um die Veränderungspotenziale von Organisationen geht. Vordergründig geht es um die Entwicklung von einzelnen Personen innerhalb von Strukturen. Will man das volle Potenzial von MitarbeiterInnen entfalten, wir man nicht um hin kommen sich dem Thema zu widmen, das Leadership tut gut daran, die auftretenden Symptome ernst zu nehmen und das Development zu begleiten. Doch es geht auch um die Strukturen selbst, denn auch diese unterliegen den Gesetzmäßigkeiten eines stufenweisen Wachstums.
INTERN GLEICH EXTERN
Begriffe wie #Dependenz, #Independenz, #Intradependenz und #Interdependenz sind zum Teil bekannt und in der Theorie oft sehr gut etabliert, doch wie sieht die praktische Umsetzung aus.? Wie sind die Erfahrungen außerhalb eines geschützten Seminarsettings? Beinahe jede Führungskraft kann die folgende Erfahrung teilen:
"Wir haben uns wirklich gut verstanden, von Beginn an war die Mitarbeiterin voll motiviert und wir konnten ausgezeichnet miteinander reden. Aufgaben wurden schnell erledigt und das Lernen war enorm,... . Sie war immer nett und höflich und zuvorkommend, es hat Spaß gemacht mit ihr zu arbeiten. Plötzlich fast auf einen Tag auf den anderen ist alles anders. Ich bekomme nur noch patzige Antworten, sie meint, dass sie alles besser kann und mit dem Spaß ist´s auch vorbei..."
So oder so ähnlich werden in Coaching & Supervision immer wieder diese Geschichten erzählt. Das Leid endet dort wo klar wird, dass die Mitarbeiterin in die Phase der Independenz eingetreten ist. Willkommen in der Pubertät!
Ab diesem Zeitpunkt und der Erkenntnis, dass diese Phase extrem wichtig ist, damit die Menschen in deren Funktionen ankommen können und von den Führungskräften nicht mehr in Dependenz geführt werden müssen, wird das Zusammenleben leichter. Der Vergleich mit der Familiensituation in der junge Menschen durch die Phase der Pubertät müssen, um dann als eigenverantwortliche, erwachsene Menschen selbst eine Familie zu gründen gelingt leicht und wird verstanden: "Logisch und richtig so!" hören wir oft zu diesem Zeitpunkt. Wenn das im familiären Kontext so richtig ist, warum soll das dann in Unternehmen falsch sein?
"Ist es nicht,..." ist die Antwort, "funktioniert aber selten bis gar nicht." geht die Antwort weiter.
Es handelt sich bei der #Reifeentwicklung um einen "prinzipiellen Prozess" der stattfindet. Und wie das bei Prinzipien so ist - diese gelten immer! Wenn es Ausnahmen gibt, dann sind es Regeln - deswegen:
> Was für einzelne Personen gilt, gilt auch für ganze Organisationen.
24 / 7 / 365
Wenn nun Organisationen, und oft sogar ganzen Konzernen die Idee eines Kulturwandels auferlegt wird, wird man gut daran tun zu überprüfen auf welcher Stufe der Reifeentwicklung sich die Organisation als Gesamtes befindet. Geht es nach wie vor darum sich im Wettbewerb zu sehen und gegen andere anzukämpfen, befindet sich die Organisation als Gesamtes im dependenten Haufendenken, ist davon auszugehen, dass an der Spitze auch Menschen wirken, die einer hierarchisch, dependenten Struktur zugeneigt sind, und diese ganz gern beibehalten wollen. Und schon sind wir bei der wohlbekannten, und gleichermaßen unnützen, Frage:
"TOP DOWN oder BOTTOM UP change?"
"Von wo muss die gewollte Veränderung ausgehen?" Nicht entweder oder, sondern von beiden Seiten bzw. allen Seiten. Einen Kulturwandel als "ebenenisolierte Einzelerlebnisse" zu sehen, kann nicht funktionieren. Auf jeder Ebene sind Menschen am Werk! Und wie oben beschrieben: Prinzipien gelten für Alle! Manchmal wird dieser Erkenntnis mit dem Einführen des DU Wortes oder der Installierung von Großraumbüros Rechnung getragen. Das ist zumindest mal ein Anfang, mehr aber auch nicht.
Selbstverständlich haben unterschiedliche Ebenen auch andere Verantwortungen, einen Kulturwandel zu initiieren, dazu Möglichkeiten schaffen und Ressourcen freizugeben, obliegt den jeweils übergeordneten Ebenen bzw. Budgetverantwortlichen, die haben also mehr Einfluss darauf. Wenn man allerdings darauf wartet, dass "die da oben" etwas tun oder einen Prozess beginnen, begibt man sich in eine Dependenz und macht sich selbst handlungsunfähig. Man verliert gleichzeitig auch enormes #Resilienz-potential. Unternehmenskultur ist keine Idee die durch eine Zielerreichung definiert wird. Auch gibt es dazu keinen Start auch nicht im Rahmen eines definierten change Prozesses. Die Kultur ist ein 24/7/365 stattfindender Vorgang, der immer und von jedem getragen wird. Dabei ist egal ob dies den Protagonisten bewusst ist, oder ob diese das wollen oder nicht. Ziele können im Rahmen des täglichen Erlebens auf der Beziehungsebene mit anderen Menschen/Stakeholdern definiert werden, und müssen den Kriterien der Wohlgeformtheit entsprechen um den Menschen gerecht zu werden (SMART Modell ist hierbei nicht hilfreich weil zu oberflächlich).
Kultur ist etwas was man nicht verhindern kann, ganz im Wazlawik´schen Sinn: "Man kann nicht, nicht Kultur leben / sein / haben... "
AUF DIE PLÄTZE, HALTUNG, LOS!
Unternehmenskultur ist die Summe der inneren Haltungen aller Beteiligten.
Es geht nicht um eine einzelne Haltung bzw. um die Haltung einer einzelnen Person. Es geht um "die Haltung" immer und immer wieder. Es geht um Wahrnehmungen und den Meinungen zu den Wahrnehmungen, und Beides ist abhängig vom jeweiligen Menschenbild. Die Kultur einer Organisation unterliegt also nicht nur den Gesetzen der Reifeentwicklung sondern auch dem fixen und dem wandelbaren Teilen des Menschenbildes - von allen Beteiligten! Das kann nicht oft genug betont werden. Die besten und bekanntesten Methoden nützen nichts, wenn die Haltung dahinter nicht passend ist. Was nützt das "Feedback Burger Modell", wenn man nicht eine stärkenorientierte innere Haltung zu Menschen lebt. Ein Kollege aus dem Bereich der Unternehmensberatung berichtete: "Methodentreue" - hatte ein Bereichsleiter eingefordert, und dabei vergessen dass diese Diametral zur Bildung der Menschen (Kampfrhetorik), den Erfahrungen (nur durch Fehler lernt man), und deren Bedürfnissen (nur die Besten kommen weiter), war. Das sämtliche, auf echter Wertschätzung und Würdigung des Gegenübers, basierende Methoden keine Wirkung hatten, und im Gegenteil sogar eine Verschlimmerung der Situation bewirkten, war eine logische, und aus Beratersicht, schmerzhafte Konsequenz.
Im systemischen Menschenbild sind Menschen unter anderem, darauf bedacht, einige stets wirkenden Gesetze um zu setzen, bzw. deren Umsetzung einzufordern. Egal ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Besser wir machen uns diese bewusst, so oft wie möglich und so genau wie möglich. Damit kann Wachstum sicher gestellt und oftmals auch beschleunigt werden, weil es den Menschen und deren Handlungsmustern gerecht wird. Im Wesentlichen geht es dabei eben um das bewusste Erleben der Reifeentwicklung und die Umsetzung der systemischen Leitprinzipien: Zugehörigkeit, Ordnung, Achtsamkeit.
Das klingt eventuell nach nicht viel, wenn man sich jedoch die Abwandlungen dazu bewusst macht, merkt man sehr schnell, dass es unglaublich viele Faktoren gibt, die man damit betrachten kann. Mit den Leitprinzipien lassen sich auch sehr gut Symptome von Ursachen unterscheiden, und eine Kultur der ständigen Veränderung und des Wachstums gestalten. Damit erhält man auch resiliente Organisationen und Strukturen, die Vieles ausgleichen können und auf die unterschiedlichsten Szenarien auch adaptiv und passend reagieren können - Agilität.
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